Vermögensschaden-Haftpflicht: Schwachstelle Nachhaftung?

23. August 2016

Die Fehler der Vergangenheit

Als am 22. Mai 2007 eine bestehende Vermögensschaden-Haftpflicht-Versicherung zur Voraussetzung für die Erlaubniserteilung und Ausübung der gewerblichen Versicherungsvermittlung gemacht wurde, hatte der deutsche Gesetzgeber die Mindestanforderungen der EU in der Frage der Nachhaftung deutlich verschärft. Kurz bevor das Gesetz in Kraft trat, wurde die gesetzlich geforderte Nachhaftungsfrist auf „unbegrenzt“ erhöht.

Seither genießt der Versicherungsvermittler komfortablen Versicherungsschutz und kann gelassen in seine berufliche und nachberufliche Zukunft schauen: Gegen Verstöße aus seiner beruflichen Tätigkeit ist er auch dann noch versichert, wenn er die Versicherungsvermittlung aufgegeben und sich in einen beschaulichen Ruhestand zurückgezogen hat. Die Nachhaftung (auch „Nachmeldefrist“ genannt) bedeutet die zeitliche Erweiterung des Versicherungsschutzes über das Ende des Versicherungsvertrages, also die Dauer seiner „eigentlichen“ Wirksamkeit hinaus. Wenn diese Erweiterung „unbegrenzt“ ist, dann suggeriert das – zumindest zeitlich – grenzenlose Sicherheit. Soweit die angeblich sonnige Zukunft des Versicherungsvermittlers.

 

Latente Risiken

Was ist mit Verstößen und daraus resultierenden Ansprüchen, die vor dem 22.05.2007 geschehen sind, aber erst heute bekannt werden? – Der Vermittler, der sich vor der Einführung der Pflichtversicherung nicht freiwillig versichert hat, ist gegen solche Ansprüche auch heute nicht versichert. Im schlimmsten Fall bedeutet das, dass er einen Schaden selbst begleichen muss. Immerhin tickt die Uhr zu seinen Gunsten: Der Zeitraum, aus dem solche potentiellen „Altschäden“ stammen können, verkürzt sich jeden Tag, denn nach zehn Jahren „greift“ die allgemeine Verjährung. Aktuell müsste ein Verstoß also aus Mitte 2004 oder jünger sein, um noch Haftungsansprüche nach sich zu ziehen. Erst ab 22.05.2017 wird es die Möglichkeit solcher Altlasten nicht mehr geben.

Wer sich bereits vor der Einführung der Pflichtversicherung freiwillig gegen Haftpflichtansprüche aus seiner Berufsausübung versichert hat, der hat gute Chancen, dass Verstöße aus den Jahren 2004 bis 2007 auch heute versichert sind. Möglich macht das die sogenannte „Übernahme der Nachhaftung“ der / des Vorversicherer(s).

Die Frage der Übernahme der Nachhaftung der oder des Vorversicherer(s) wird nur relevant, wenn der Vermittler den Risikoträger seiner VSH-Versicherung wechselt. Wer seinem Versicherer ein Berufsleben lang treu bleibt, braucht sich mit dieser Frage nicht zu beschäftigen, weil er einen durchgängigen Vertrag hat.

Nachhaftung und deren Übernahme

Das Gesetz zur verpflichtenden Vermögensschaden-Haftpflicht für Versicherungsvermittler hat zur weitgehenden Standardisierung der angebotenen Deckungen geführt, da sie ja alle den gesetzlichen Vorgaben genügen mussten. Sie unterscheiden sich heute meist nur durch erhebliche Prämiendifferenzen für eine identische Deckung. Deutlichere Unterschiede gibt es bei der Übernahme der Nachhaftung. Die ist gesetzlich nicht geregelt – und deshalb verweigert sie mancher Risikoträger einfach ganz. Andere Versicherer bieten wenigstens die Übernahme der Nachhaftung des unmittelbaren Vorversicherers, was bei wechselfreudigen Versicherungsnehmern zum Problem werden kann, wenn ein Verstoß schon länger zurückliegt und in der Zwischenzeit mehrere Versicherer für den VSH-Schutz zuständig waren. Wenige Versicherer bieten in ihren Bedingungen oder in den Zusatzvereinbarungen mit ihren Vertriebspartnern die Übernahme der Nachhaftung aller Vorversicherungen. Diese Übernahme ist – wenn sie denn gewährt wird – an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Gängig sind die Folgenden, die gleichzeitig erfüllt sein müssen:

  • es handelt sich um einen Versicherungsvertrag der gleichen Art (gleiche Definition des Versicherungsfalls)
  • der fragliche Verstoß hat sich während der Vertragslaufzeit des Vorvertrages zugetragen
  • der Vorversicherer lehnt Versicherungsschutz allein aus dem Grund ab, weil die Nachmeldefrist – also die Nachhaftung – abgelaufen ist; und, was gern überlesen wird, weshalb es hier besonders betont wird,
  • mitversichert sind nur Versicherungsfälle, die erstmalig während der Laufzeit des aktuellen Vertrages geltend gemacht werden.

Die letztgenannte Voraussetzung ist eine typische „claims made“-Formulierung in einem VSH-Vertrag, der auf der Verstoß-Theorie basiert. Und die formulierte Einschränkung hat Konsequenzen: Nur, was während der Laufzeit gemeldet wird, ist auch versichert. Nach Beendigung der Versicherung läuft zwar die unbegrenzte Nachhaftung des aktuellen Vertrages, aber es gibt keine Nachmeldefrist für Schäden aus der Zeit des Vorvertrags / der Vorverträge. Somit hat auch derjenige, der sich frühzeitig und freiwillig vor der Einführung der Pflichtversicherung um Versicherungsschutz bemüht hat, eine Deckungslücke für Altschäden, falls er – aus welchen Gründen auch immer – die Versicherungsvermittlung an den Nagel hängt. Es ist dieselbe Deckungslücke, die auch derjenige hat, der sich vor 22.05.2007 gar nicht versichert hat. – Da wirkt die Zukunft doch ein wenig eingetrübt, wenn man nach den langen Berufsjahren etwa heute oder morgen in den Ruhestand gehen will.

Wie weit der freiwillige Versicherungsschutz reicht

Das bisher betrachtete Szenario der Versicherungsvermittlung ist überschaubar, weil wir für diesen Bereich seit mittlerweile sieben Jahren die gesetzlich geforderte Pflichtversicherung mit unbegrenzter Nachhaftung haben. Für den Bereich der Finanzanlagenvermittlung wird es eine analoge, zeitlich verschobene und etwas kompliziertere Entwicklung geben. Der letzte kritische Termin für Altschäden wird der 31.12.2022 sein. Danach greift auch für diesen Bereich die Verjährungsfrist von zehn Jahren. Komplizierter wird es durch Produkte, die durch die Reform der Gewerbeordnung versicherungspflichtig im neuen § 34 f wurden, während sie vor der Reform freiwillig im Bereich der Finanzdienstleistungen (§ 34 c) versichert werden konnten. Die Deckungen dieser Verträge waren und sind mangels gesetzlicher Vorgaben weniger normiert als Deckungen im Bereich der Versicherungsvermittlung heute. Entsprechend dauert es 5 bis 7 Jahre, bis potentielle Schäden verjährt sind. Deutlicher gesagt: Deckungslücken bestehen im Falle eines Ausscheidens aus der Berufstätigkeit bis zu 7 Jahre lang! – Das Problem ist lange bekannt, seit kurzer Zeit ist es auch lösbar.

Die Übernahme der Übernahme der Nachhaftung

Was ist zu tun? – Sich ins scheinbar Unvermeidliche fügen und auf sein Glück hoffen, „dass schon nichts passieren werde“, ist die Option für die Risikofreudigen. Die Alternative für die Sicherheitsbewussten besteht in einem neuartigen Baustein zur Komplettierung des Versicherungsschutzes über das Ende der Vermittlertätigkeit hinaus. Dieser Versicherungsbaustein funktioniert so, wie es die Überschrift verspricht. Er übernimmt die Nachhaftungen der Vorversicherungen, die die oben aufgezählten Voraussetzungen erfüllen. Da der Baustein selbst zeitlich nicht begrenzt ist, schließt er die Deckungslücken bis zum Eintritt der Verjährung, wenn potentielle Haftungsansprüche erlöschen.

Zur Stärkung des Abwehrschutzes ist außerdem eine Versicherungssumme von € 50.000 in den Baustein integriert, mit der die Kosten einer außergerichtlichen Abwehr und die Kosten für Auskunftserteilung zur Begründung eines Leistungsanspruches übernommen werden.

Das ist nicht die erstbeste, es ist gegenwärtig die einzige Lösung auf dem deutschsprachigen Versicherungsmarkt. Genau genommen schließt sie Deckungslücken nicht, – sie lässt sie gar nicht erst entstehen.

Wen trifft’s? – Gegenfrage: Wen nicht?

Alle, die in absehbarer Zeit aus der Vermittlertätigkeit ausscheiden – sei es aus Altersgründen, sei es gesundheitsbedingt, etwa infolge eines Unfalls, oder sei es aus Gründen der beruflichen Neuorientierung –, Anlass zum Nachdenken besteht für jeden, der sich eine sorgenfreie Zukunft jenseits der Vermittlertätigkeit wünscht. Wir bieten Ihnen die geeignete Versicherungslösung dafür an.